Pressemitteilung

Pressemitteilung zu zwei neuen Energiecharta-Klagen

Rauchender Schornstein eines Kraftwerks

Zwei Energiekonzerne haben Deutschland wegen des Kohleausstiegs und der Übergewinnsteuer verklagt - PowerShift fordert mehr Einsatz der Bundesregierung

Berlin, 1. November 2023: Mit großer Sorge blickt die Umweltorganisation PowerShift auf zwei Schiedsgerichtsklagen, die in den vergangenen zwei Wochen unter dem Energiecharta-Vertrag gegen Deutschland eingereicht wurden.

Zum einen klagt die Schweizer Energiefirma Azienda Elettrica Ticinese (AET) wegen des deutschen Kohleausstiegs gegen die Bundesrepublik. AET ist mit 15 Prozent am Trianel-Steinkohlekraftwerk im nordrhein-westfälischen Lünen beteiligt, das 2032 stillgelegt werden soll. Trianel hatte im Rahmen des Bieterwettbewerbs keine Stillungsentschädigung erhalten. Vertreten wird AET von der Kanzlei Luther, die auch RWE in der Klage gegen den niederländischen Kohleausstieg vertritt. Eine Stellungnahme von AET liegt PowerShift vor.

Zum anderen klagt der internationale Industrierohstoffkonzern Klesch-Group mit Sitz in London und Genf wegen der Übergewinnsteuer gegen Deutschland, Dänemark und die EU. Das geht aus einer Anfrage des Bundestagsabgeordneten Ralph Lenkert (Linke) an die Bundesregierung hervor. Die Klesch-Group betreibt Deutschlands größte Raffinerie in Heide, Schleswig-Holstein sowie eine Raffinerie in Dänemark.

„Ob Kohleausstieg oder Übergewinnsteuer – mit Klagen vor Schiedsgerichten versuchen Investoren demokratisch getroffene Entscheidungen zu unterlaufen und die Kosten von Energiewende und Energiekrise der Allgemeinheit aufzubürden. Damit muss endlich Schluss sein. In einem demokratischen Gemeinwesen haben intransparente Schiedsgerichte keinen Platz“, sagt Fabian Flues, Handelsexperte bei PowerShift.

PowerShift fordert die Bundesregierung auf, gemeinsam mit anderen Staaten Wege zu finden, um Schiedsgerichtsklagen in sensiblen Bereichen wie der Energiewende grundsätzlich auszuschließen. „Wenn demokratische Entscheidungsprozesse und öffentliche Gerichte umgangen werden, müssen Staaten sich wehren. Die Ampel hat im Koalitionsvertrag versprochen, Schiedsgerichtsklagen deutlich einzuschränken. Nach dem wichtigen Ausstieg Deutschlands aus dem Energiecharta-Vertrag, muss sie jetzt nachlegen“, begründet Flues. Darüber hinaus müsse auch der Europäische Rat seine Blockade gegen einen gemeinsamen Ausstieg aller EU-Mitgliedstaaten aus dem Energiecharta-Vertrag, wie ihn Kommission und Parlament bereits gefordert haben, unverzüglich aufgeben.

Hintergrund

Der Energiecharta-Vertrag (ECT) ist ein internationales Handels- und Investitionsschutzabkommen, das 1998 in Kraft trat. Investoren können Staaten in privaten Schiedsgerichtsverfahren (investor-state dispute settlement - ISDS) für Entscheidungen verklagen, die Auswirkungen auf ihre erwarteten Gewinne haben — auch für den Klimaschutz. Nach jahrelangen Protesten gegen den ECT und drei Jahren erfolgloser Verhandlungen über dessen Reform, hatte die Bundesregierung vor knapp einem Jahr, am 11. November 2022, angekündigt, dass Deutschland Ende 2023 aus dem Abkommen aussteigen wird. Für einen Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag gilt jedoch eine Fortgeltungsklausel von zwanzig Jahren für bestehende Investitionen. Bei einem gemeinsamen Austritt vieler Mitgliedsländer, ließe sich diese entschärfen. Deutschland ist zudem Vertragspartei in über 100 Investitionsschutzabkommen, von denen der überwiegende Teil Klagen durch private Schiedsgerichte ermöglicht.

Pressekontakt

Fabian Flues (PowerShift-Handelsexperte)

fabian.flues@power-shift.de, 0159 06113733

Autor*in