Klimapolitik,Rohstoffpolitik

Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit

Warum wir die Mobilitäts- und Rohstoffwende zusammendenken müssen

Global wie lokal betrachtet leiden vor allem jene Menschen unter den Folgen der Klimakatastrophe, die am wenigsten dazu beitragen. Die Mehrheit der Menschen, die stark von den Folgen der Erderhitzung betroffen sind, leben auf dem afrikanischen Kontinent, im südost- und südasiatischen Raum, im Pazifik und in Lateinamerika. Dort sind Klima- und Umweltkrisen keine in der Zukunft liegende Bedrohung, sondern vielfach bereits bittere Realität.Die Konsequenzen der Erderhitzung sind weitreichend. Während der Temperaturanstieg in einigen Regionen so drastisch sein wird, dass sie bereits in wenigen Jahrzehnten für Menschen als nicht mehr bewohnbar gelten, werden andere Orte aufgrund des steigenden Meeresspiegels gänzlich untergehen. Trotzdem werden Jahr für Jahr immer mehr Treibhausgase ausgestoßen. Für groß angelegte Bergbau-, Industrie- und Infrastrukturprojekte werden Ökosysteme und damit auch Lebensgrundlagen beschädigt oder zerstört.

Maßgeblich zur Erderhitzung trägt der Verkehrssektor bei, der global und in Deutschland jeweils rund ein Fünftel der CO2-Emissionen verursacht. In Deutschland ist der überwiegende Anteil dieser Treibhausgasemissionen auf Autos mit Verbrennungsmotoren zurückzuführen. Hinzu kommen ein hoher Flächenverbrauch sowie die Feinstaub- und Lärmbelastung im Verkehrssektor.

Vor allem aber basiert die gegenwärtige Automobilität nicht nur auf der Verbrennung von Erdöl, sondern auch auf dem Abbau und der Weiterverarbeitung zahlreicher Rohstoffe. In jedem Pkw stecken zum Beispiel mehrere Hundert Kilogramm Aluminium und Stahl. Diese beiden Metalle machen den mit Abstand größten Anteil des Volumens an den so genannten Konstruktionswerkstoffen aus. Ihre Herstellung aus den Erzen Eisen und Bauxit ist äußerst energieintensiv. So hat die weltweite Stahlproduktion von 1900 bis 2015 schätzungsweise neun Prozent aller globalen Treibhausgasemissionen in diesem Zeitraum verursacht. Der Aluminiumsektor ist für rund zwei Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Entsprechend verursachen die beiden Metalle auch einen erheblichen Anteil der CO2-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Autos, nämlich ca. 60 Prozent.

Zugleich geht der Abbau der Erze – die nach Deutschland vor allem aus Brasilien und Guinea importiert werden – häufig mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung einher. Die Produktion ist häufig dort am günstigsten, wo die menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Standards am niedrigsten sind.

Die Relevanz von verantwortungsvollem Rohstoffbezug durch Autokonzerne hat erst in Verbindung mit der Antriebswende mehr Aufmerksamkeit erfahren. Die mit der Elektromobilität massiv steigende Nachfrage nach Metallen wie Lithium, Kobalt, Graphit und Nickel hat die menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Probleme beim Abbau dieser Rohstoffe in den Fokus gerückt. Inzwischen bezeichnet auch die Bundesregierung die Automobilindustrie als „menschenrechtlich relevante Risikobranche“.

In der verkehrspolitischen Debatte bleiben die sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Kosten des Rohstoffabbaus für die Automobilität nach wie vor außen vor. Mit dieser Studie möchten wir einen Beitrag dazu leisten, jene ausgelagerten und unsichtbar gemachten Kosten aufzuzeigen. In Kapitel zwei geben wir einen Überblick zur Automobilität in Deutschland und werfen einen Blick auf die verkehrspolitische Agenda politischer Verantwortlicher und Akteur*innen der Industrie, bevor wir die Auswirkungen des Autoverkehrs in Deutschland auf Klima, Umwelt und Gesundheit aufzeigen und darstellen. Wir skizzieren, warum einerseits Elektroautos trotz der negativen Begleiterscheinungen die notwendige Alternative zum Verbrennungsmotor darstellen und andererseits insbesondere Mobilitätsformen jenseits des Pkws im Privatbesitz gefördert werden müssen. Im dritten Kapitel untersuchen wir, welche metallischen Rohstoffe in Autos stecken und mit welchen Folgen ihr Abbau in verschiedenen Staaten verbunden ist. Wir zeigen auf, dass die Rohstoffbeschaffung deutscher Industrien politisch unterstützt wird und weisen auf gesetzgeberische Prozesse zur Regulierung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht von Unternehmen hin. Daran anknüpfend stellen wir in Kapitel vier Politikempfehlungen für eine global gerechte und zukunftsfähige Mobilitäts- und Rohstoffwende in Deutschland und Europa vor.

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