Klimapolitik

Tour du Gas: Fossile Infrastruktur ist kein Klimaschutz

Blick vom Rüstringer Berg auf Ölhafen, Kohlekraftwerk und den JadeWeserPort

Foto: Blick vom Rüstringer Berg auf Ölhafen, Kohlekraftwerk und den JadeWeserPort

Die Industriegeschichte Wilhelmshavens ist von zerstörten Hoffnungen und gebrochenen Versprechen geprägt. Die fossile Industrie hat große Wunden in und um Wilhelmshaven hinterlassen. Und noch immer wird, der Klimakrise zum Trotz, neue fossile Infrastruktur gebaut. Das habe ich mir gemeinsam mit Naturschützer*innen vor Ort angeschaut, auf der „Tour du Gas“ des Netzwerks Energiedrehscheibe.

Wir starteten am Rüstringer Berg, einem kleinen Hügel am Rande der Stadt, der einen guten Blick auf den Ölhafen, das stillgelegte Kohlekraftwerk von Uniper und den dahinter liegenden Jade-Weser-Port bietet. Viel los ist hier nicht. Bis zu vier Tanker können am Ölhafen gleichzeitig landen, gerade ist keiner da. Knapp ein Viertel des deutschen Mineralölbedarfs landet hier an. Der Ölumschlag ist bereits um 20 Prozent zurückgegangen und wird weiter sinken, je weniger Ölheizungen, Verbrennungsmotoren und Dieselschiffe in Betrieb sind.

Alte Kohle, neue Kohle

Neben dem Ölhafen liegt das Betriebsgelände eines ehemaligen Kohlekraftwerks von Uniper, auf dem künftig grüner Wasserstoff produziert werden soll. Davon ist aber noch nichts zu sehen.

Wer sich gefreut hat, dass Wilhelmshaven sein Kohlekraftwerk bereits abgeschaltet hat: zu früh! Direkt gegenüber vom alten Meiler verbrennt ein neues, erst 2015 errichtetes Kraftwerk weiter Kohle und soll nicht abgeschaltet, sondern auf Biomasse umgerüstet werden – angesichts der ökologischen Schäden und des massiven Kohlendioxidausstoßes durch Holzverbrennung keine gute Idee und angesichts erwartbarer Preissteigerungen für Holzbiomasse auch wirtschaftlich nicht klug. Das Kraftwerk fährt seit Jahren Verluste ein.

Vynovas Kunststofffabrik und daneben die Raffinerie von Uniper, direkt an der Küste.

Foto: Vynovas Kunststofffabrik und daneben die Raffinerie von HES, direkt an der Küste.

Verfallende Industrie und Natur in Gefahr

Auf der Fahrt nach Hooksiel passieren wir eine alte Chlorfabrik, die 2013 außer Betrieb ging und nun langsam verfällt. In der Nähe betreiben die Konzerne Vynova und HES eine Kunststofffabrik und eine Raffinerie, die beide erweitert werden sollen. Statt das alte Fabrikgelände zu sanieren, wollen sie lieber den Voslapper Groden nutzen - ein wertvolles Naturschutzgebiet, das seltenen Bodenbrütern Schutz bietet, die sonst kaum noch Nistplätze finden. Dabei verfallen auch auf dem Raffineriegelände bereits teilweise Gebäude, hier wäre also durchaus Platz. Ausgleichsflächen, um für den Verlust des Naturschutzgebietes zu entschädigen, gibt es dagegen keine mehr. Dennoch rücken die beiden Konzerne von ihrem Anspruch bisher nicht ab.

Das Naturschutzgebiet Voslapper Groden

Foto: Das Naturschutzgebiet Voslapper Groden © Nabu Wilhelmshaven

Deckmantel Energiewende, darunter: Fossilien!

Nicht weit von Chemiewerk und Raffinerie liegt der Landekai für LNG, an dem aktuell das schwimmende Terminal Hoegh Esperanza liegt. Es ist maximal zu 80 Prozent ausgelastet – unter den deutschen LNG-Terminals bereits ein Spitzenwert – dennoch sollen noch zwei weitere Landeplätze ausgebaut werden. Auch wenn die Firma TES, die eines der Terminals betreiben wird, mit einem fragwürdigen Geschäftsmodell davon abzulenken versucht: Hier wird fossiles Gas anlanden, dessen Förderung in den Exportländern Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung zur Folge hat – und das massiv die Klimakrise anheizt.

Wir zeigen „Daumen runter!“ für das LNG-Terminal in Wilhelmshaven.

Foto: Wir zeigen „Daumen runter!“ für das LNG-Terminal in Wilhelmshaven. © Zukunftswerkstatt Wilhelmshaven | Hufenbach

Leben über Löchern: Die Gegend um Etzel

Letzte Station der Tour: Die Kavernenspeicher bei Etzel. Ihre technischen Aufbauten prägen die Landschaft. Wegen der Druckveränderungen beim Ein- und Auspumpen der Speicher sackt das Gelände weg, 70 cm sind es bis heute. Das könnte sich durch die neuen Wasserstoffspeicher, die viel häufiger gefüllt und geleert werden, noch verschlimmern, befürchten die Naturschützer*innen. Gerade werden außerdem breite Schneisen durch die Landschaft gepflügt, um neue Pipelines zu bauen – schließlich sollen die künftigen LNG-Terminals auch an die Speicher in Etzel angeschlossen werden. Bald wird das für die neuen Wasserstoffleitungen wiederholt.

Blühende Landschaften in Wilhelmshaven? Gibt es zum Glück bereits, dank des Einsatzes der engagierten Naturschützer*innen vor Ort, von denen ich an diesem Wochenende einige kennenlernen durfte. Ich danke dem Netzwerk Energiedrehscheibe und vor allem Stefanie Eilers vom Nabu Wilhelmshaven für die spannende Tour und für die Energie, mit der sie ihre Heimatstadt auf Klimakurs bringen!

 

Mehr über unsere Arbeit zur Energiepolitik finden Sie hier.

 

Autor*in