Publikation,Rohstoffpolitik

Positionspapier Rohstoffwende: Anforderungen an ein Rohstoffgesetz für eine soziale und gerechte Transformation

EU-Flagge vor dem Parlament

Im September 2022 kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der EU ein europäisches Rohstoffgesetz an, den Critical Raw Materials Act (CRMA). "Wir werden an strategischen Projekten entlang der gesamten Lieferkette arbeiten - von der Gewinnung über die Verarbeitung und das Recycling bis hin zur Veredelung", fügte sie hinzu. Nach einer sehr kurzen Konsultationsphase hat die Europäische Kommission im März 2023 ihren Vorschlag vorgelegt. Wie in der Ankündigung der Kommissionspräsidentin sind die strategischen Projekte das Herzstück der CRMA. Gleichzeitig stellen sie eines der größten Risiken für den Umwelt- und Menschenrechtsschutz dar. Denn laut EU-Kommission sollen strategische Projekte innerhalb und außerhalb der EU identifiziert und dann vorrangig gegenüber anderen Interessen - etwa dem Naturschutz - durchgesetzt werden. Auch die zahlreichen menschenrechtlichen Risiken, die in den letzten Jahren durch verschiedene Gesetzgebungen adressiert wurden, finden sich nicht adäquat im Gesetz wieder. Stattdessen setzt der CRMA auf Zertifikate oder die Absicht, sich in einer freiwilligen privaten Industrieallianz als strategisches Projekt zu engagieren. Diese Art der Beschleunigung birgt die Gefahr, dass sowohl Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen als auch demokratische Beteiligungsverfahren massiv ausgehöhlt werden.

Mehr als 40 europäische Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen haben zusammen Anforderungen an dieses Gesetz formuliert. Diese umfassen:
1. Die EU sollte ihre Abhängigkeit von Primärrohstoffen aktiv verringern und nachfrageseitige Lösungen umsetzen, um den Rohstoffverbrauch bis 2030 um mindestens 10 % zu senken. Dazu gehören die schrittweise Abschaffung von Einwegprodukten, die kritische Rohstoffe enthalten, die Einführung eines Materialpasssystems und die Verabschiedung nationaler Programme zur Förderung der Materialeffizienz und der Verwendung alternativer Materialien.

2. Der CRMA sollte sich nicht allein auf Zertifizierungssysteme stützen, um die Nachhaltigkeit eines Abbauprojekts zu bewerten, da eine Zertifizierung allein keine Garantie für die Einhaltung verbindlicher Menschenrechts- und Umweltvorschriften ist. Stattdessen sollte eine umfassendere Bewertung der Menschenrechts- und Umweltleistung durchgeführt werden, wobei Kriterien wie Multi-Stakeholder-Governance, Einhaltung umfassender Standards, Offenlegungsregeln, zugängliche Beschwerdemechanismen und öffentliche Prüfberichte berücksichtigt werden sollten.

3. Der Schwerpunkt der CRMA auf der EU-Versorgungssicherheit durch Partnerschaften lässt einen globalen Gerechtigkeitsansatz und konkrete Maßnahmen zur Gewährleistung von Nachhaltigkeitsstandards, der Beteiligung der Zivilgesellschaft und des Schutzes der Menschenrechte und der Umwelt in Drittländern vermissen. Zu den Empfehlungen gehören die Ausrichtung von Partnerschaften an internationalen Abkommen, die Einführung robuster Überwachungs- und Sanierungsmechanismen, die Definition von "Mehrwert", die Unterstützung der einheimischen Industrialisierung, die Einbeziehung der Zivilgesellschaft und indigener Völker, die Gewährleistung von Transparenz und die Vermeidung der Untergrabung von Verpflichtungen durch andere Vorschriften oder Handelsabkommen.

4. Der Schwerpunkt des CRMA auf der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für kritische Rohstoffprojekte birgt die Gefahr, dass Umwelt- und Sozialschutzmaßnahmen umgangen werden, und es fehlt an öffentlicher Akzeptanz. Das unterstreicht die Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zwischen Umweltschutz, Öffentlichkeitsbeteiligung und verkürzten Genehmigungszeiten herzustellen und gleichzeitig Elemente wie die freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC) und die Rechte indigener Völker einzubeziehen, Bezugnahme auf internationale Instrumente, Zuweisung von Ressourcen an die Genehmigungsbehörden, Verweis auf internationale Abkommen, Gewährleistung von Transparenz, Einrichtung einer Untergruppe für Nachhaltigkeit und verantwortungsvollen Bergbau innerhalb des Ausschusses für kritische Rohstoffe und Verbot des Tiefseebergbaus aufgrund möglicher ökologischer und sozialer Auswirkungen.

5. Für den Erfolg des europäischen Green Deals und die strategische Autonomie der EU ist es von entscheidender Bedeutung, dem Ansatz der Kreislaufwirtschaft in der CRMA Vorrang einzuräumen, indem eine ehrgeizige Recyclingstrategie umgesetzt wird, die Kohärenz mit der Abfallhierarchie verbessert wird, die EU-Ziele für die Recyclingkapazität erhöht werden, die Sammlung und Trennung von kohlenstoffhaltigen Komponenten verbessert wird, Zielvorgaben für den Recyclinganteil aller kohlenstoffhaltigen Produkte vorgeschlagen werden, Maßnahmen für das öffentliche Beschaffungswesen aufgenommen werden und sichergestellt wird, dass die Verwertung von Bergbauabfällen umfassenden Vorschriften folgt und Pläne für die Sanierung von Altlasten umfasst.

6. Das CRMA sollte umfassende Regeln für die Berechnung und Überprüfung des ökologischen Fußabdrucks kritischer Rohstoffe, die Berücksichtigung klarer Kriterien für die Bestimmung eines signifikanten ökologischen Fußabdrucks, die Berücksichtigung der Auswirkungen auf Kreislaufwirtschaft und Recyclingunternehmen, internationale Standards und nachhaltige Praktiken, die Durchführung von Vorabbewertungen und Konsultationen mit den relevanten Interessengruppen, die Ermöglichung der wissenschaftlichen Beratung durch den Europäischen Wissenschaftlichen Beirat zum Klimawandel, die Sicherstellung von Erklärungen zum ökologischen Fußabdruck für alle in Verkehr gebrachten kritischen Rohstoffe, einschließlich Zwischen- und Endprodukten, und den Erlass delegierter Rechtsakte zur Festlegung von Leistungsklassen für den ökologischen Fußabdruck mit spezifischen Parametern umfassen.

Foto: Guillaume Périgois auf Unsplash

 

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