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Die verfehlte Reformdebatte von EU-Kommission und BMWi zum Investitionsschutz in TTIP
Angesichts der Kritik an den geplanten Freihandelsabkommen der EU mit Kanada und den USA (CETA und TTIP) beginnt die Politik nun zögerlich, die längst überfällige Reform des internationalen Investitionsschutzes anzugehen. Die ersten konkreteren Vorschläge der Europäischen Kommission und des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) lassen jedoch erkennen, dass der politische Wille für grundlegende Verbesserungen bislang fehlt. Festzuhalten ist: – Die EU ist noch immer auf dem Weg, mit CETA, TTIP, dem EU-SingapurAbkommen und weiteren Freihandels und Investitionsverträgen (Japan, China, Myanmar, Vietnam etc.) weitreichende völkerrechtliche Privilegien für ausländische Investoren auf Kosten des Gemeinwohls zu schaffen. – Der Investitionsschutz in CETA und TTIP kann nicht getrennt voneinander behandelt werden. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung Nordamerikas könnten die vielen US Investoren mit Tochterfirmen in Kanada sich das jeweils günstigere Abkommen aussuchen. Die EU braucht daher ein einheitliches Konzept für beide Vertragspartner. – Es gibt keine überzeugende Erklärung oder gar einen systematischen empirischen Nachweis für die Notwendigkeit von Investitionsschutzabkommen zwischen funktionierenden Rechtsstaaten wie EU, USA und Kanada. – Für die Durchsetzung einseitiger Privilegien von ausländischen Investoren vertraut die EU weiter bewusst auf private Schiedsrichter, die strukturell ein finanzielles Interesse an investorenfreundlichen Entscheidungen haben. Statt diesen entscheidenden rechtsstaatlichen Mangel zu beheben, will sie die Reichweite der Schiedsgerichtsbarkeit mit den geplanten Abkommen deutlich ausweiten – in der vagen Hoffnung auf eine spätere multilaterale Reform. – Auch der Modell-Vertrag des BMWi (‚Krajewski-Vorschlag‘) zieht keine roten Linien für eine klare Abkehr vom bisherigen System. Er enthält zwar Optionen für echte Verbesserungen des bisherigen Investitionsschutzes, allerdings dürften diese kaum in den neuen Abkommen mit den USA und Kanada stattfinden. Positiv könnten etwa sein: a) die Beschränkung der materiellen Schutzrechte auf ein Diskriminierungsverbot für ausländische Investoren, b) der Ausschluss von Kompensationen für entgangenen Gewinn, c) die Einrichtung eines internationalen Gerichts mit Rechtsmittelinstanz, d) die Verpflichtung zur Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs, e) sowie die zwingende Veröffentlichung auch von Vergleichsvereinbarungen zwischen Staat und Investor. – Da die EU-Kommission diese Reformen und vor allem die Einrichtung eines öffentlichen, unabhängigen Gerichts nicht zum Bestandteil von CETA und TTIP machen will, droht die hiesige Diskussion um ei nen permanenten Gerichtshof zu einer reinen ‚Nebelkerze‘ zu werden, hinter der in Wirklichkeit ein massiver Ausbau des Systems privater ISDS- Schiedsgerichtsbarkeit stattfindet. – Eine zeitgemäße Regulierung des internationalen Investitionsverkehrs müsste dagegen vor allem die negativen Auswirkungen von globalen Unternehmenspraktiken auf Mensch und Natur in den Blick nehmen. Betroffene von Lohndumping, fehlendem Arbeitsschutz, Landnahme, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung brauchen rechtlichen Schutz und Klagemöglichkeiten. Von verbindlichen Pflichten für internationale Investoren und von Klagerechten für Betroffene findet sich bislang allerdings nichts in den KOM oder BMWi-Vorschlägen.