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Publikationsveröffentlichung: “Metallhandel: Der blinde Fleck in der Lieferkette”

Hafenpanorama vor Sonnenuntergang

Publikationsveröffentlichung: “Metallhandel: Der blinde Fleck in der Lieferkette”

Am 29. August 2024 von 9:00 bis 10:00 Uhr informierten Expertinnen aus Wissenschaft und NGO-Sektor über die Rolle von Metallhändlern in Lieferketten und deren Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung. Organisiert wurde das Pressebriefing von der Berliner NGO PowerShift, anlässlich der Veröffentlichung der Publikation “Metallhandel: der blinde Fleck in der Lieferkette”.

Metallische Rohstoffe sind unerlässlich, nicht nur für den dringend benötigten Ausbau erneuerbarer Energien, sondern auch für die fortschreitende Digitalisierung unserer Gesellschaft. Von Mobilität und Kommunikation bis hin zu nahezu allen anderen Lebensbereichen – der Bedarf an metallischen Rohstoffen wird in Zukunft weiter steigen.

Doch mit den Lieferketten metallischer Rohstoffe sind auch zahlreiche soziale und ökologische Herausforderungen verbunden, die oft nicht betrachtet werden:

1. In Ecuador finanziert Trafigura aktuell den Bau der El-Domo-Curipamba-Mine. Aus verschiedenen Verträgen geht hervor, dass der Konzern mindestens 55 Millionen US-Dollar investiert hat. Laut lokalen Umweltorganisationen wurde die Umweltverträglichkeitsprüfung jedoch nicht ordnungsgemäß durchgeführt.

2. In der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang zählt Glencore zu den wichtigsten Partnern des chinesischen Aluminiumproduzenten Tianshan, der in seiner Produktion auch uigurische Zwangsarbeiter*innen einsetzt. Es besteht die Möglichkeit, dass Aluminium, das durch Zwangsarbeit hergestellt wurde, über Rohstoffhändler auch in die EU gelangt.

3. In Tsumeb, Namibia, ließ der Schweizer Rohstoffhändler IXM jahrelang Kupfer mit hohem Arsengehalt schmelzen. Untersuchungen ergaben erhöhte Blei- und Arsenwerte bei den Anwohner*innen, und mehrere ehemalige Mitarbeiter*innen starben an Krebs. Als Alleinabnehmer hatte IXM die wirtschaftliche Kontrolle über die lokale Produktion. Recherchen im Rahmen der Publikation haben ergeben, dass die Schmelze, die dem kanadischen Unternehmen DPM gehört, gerade zum Spottpreis an einen chinesischen Investor verkauft wurde. Die Menschen vor Ort befürchten, dass sich die Unternehmen so aus der Verantwortung ziehen wollen.

4. Aus der Toromocho-Mine in Peru bezieht Trafigura stark arsenhaltige Kupferkonzentrate zu einem reduzierten Preis. Der Abbau hat verheerende Auswirkungen auf Menschen und Umwelt. Da Trafigura die Konzentrate mischt, um sie exportfähig zu machen, ist die Rückverfolgbarkeit zur Mine jedoch unmöglich.

Erstmals in Deutschland beleuchtet die Publikation "Metallhandel: der blinde Fleck in der Lieferkette" die bedeutende Rolle der Metallhändler im globalen Rohstoffhandel und deren Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung. PowerShift führte in den vergangenen Monaten eine umfassende investigative Recherche durch, die auf Daten aus der Analyse von Verträgen zwischen Händlern und Bergbauunternehmen, Unternehmensberichten, Gerichtsdokumenten und Interviews basiert. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurden Handlungsempfehlungen und Forderungen an die Bundesregierung formuliert.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Publikation:

  • Rohstoffhändler sind Schlüsselakteure in metallischen Rohstofflieferketten: Sie müssen Verantwortung für Transparenz und Standards übernehmen.
  • Rohstoffhändler tragen durch Direktkredite und Vorfinanzierungsdarlehen maßgeblich zum Bau neuer Bergbauvorhaben bei. So verfügte beispielsweise der Rohstoffhändler Trafigura 2023 über Kreditlinien von rund 75 Milliarden US-Dollar bei etwa 150 Banken und nutzte diese für Investitionen in neue Bergbauprojekte.
  • In Lagerhallen auf der ganzen Welt sammeln Rohstoffhändler große Mengen an Konzentraten und mischen Konzentrate aus unterschiedlichen Minen. Dies macht die Rückverfolgbarkeit zu einer großen Herausforderung. Als Bindeglieder tragen Rohstoffhändler hier eine besondere Verantwortung, der sie aufgrund der mangelnden Regulierung bisher nicht gerecht werden.
  • Unzureichende Aufmerksamkeit: Medien und Politik haben das Problem bisher ignoriert.
  • Gesetzliche Verpflichtungen nötig: Es müssen verbindliche Gesetze eingeführt werden, um Rohstoffhändler für ihre Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen haftbar zu machen.
  • Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, bestehende gesetzliche Standards auf internationaler und EU-Ebene weiterzuentwickeln, etwa indem der Finanzsektor in das bereits beschlossene EU-Lieferkettengesetz einbezogen wird.

Statements der Expertinnen:

„Die Geschäftspraktiken großer Rohstoffhändler wie Glencore oder Trafigura führen immer wieder zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen. Dennoch werden diese Konzerne so gut wie gar nicht reguliert. Es ist höchste Zeit, dass die Politik Verantwortung übernimmt und endlich strenge Regelungen durchsetzt!", sagt Vanessa Fischer, Rohstoffreferentin bei PowerShift und Autorin der Publikation.

„Zwei Drittel aller Metalle werden über die Schweiz gehandelt, doch der Sektor bleibt intransparent und unreguliert. Es ist höchste Zeit, dass die milliardenschwere Rohstoffdrehscheibe Verantwortung übernimmt", sagt Anna-Sophie Hobi, die an der Norwegian University of Life Sciences unter anderem zu Rohstoffhandelsnetzwerken forscht.

“Der Fall Morococha-Mine in Peru zeigt, dass das Land trotz Modernisierungsversprechen nicht auf die expandierende Bergbauausbeutung vorbereitet ist. Der Bergbau richtet sich nach internationaler Nachfrage, wobei Probleme verdrängt und Preischancen genutzt werden. Folgen sind Enteignungen, Zwangsräumungen, Umweltverschmutzung und gesundheitliche Schäden”, sagt Vanessa Schaeffer-Manrique von dem peruanischen Netzwerk Red Muqui und der Erzdiözese Freiburg über die lokalen Auswirkungen des metallischen Rohstoffhandels in Peru.

Weiterführende Informationen:

Mehr Informationen zu dem Thema finden Sie direkt in der Publikation oder in dem dazugehörigen Podcast. Bei weiteren Fragen melden Sie sich gerne direkt bei: Vanessa Fischer, +49 (0)1575 4768413, vanessa.fischer@power-shift.de

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