Neue Studie: Konzernklagen bringen Investoren 88 Milliarden US-Dollar ein

(Berlin, 20.11.2019) 88 Milliarden US-Dollar wurden Investoren bislang weltweit durch Konzernklagerechte zugesprochen. Konzernklagerechte sind eine massive finanzielle Belastung für viele Staaten. Und sie stehen einer fortschrittlichen Klimapolitik im Weg. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie von PowerShift e.V., BUND, Greenpeace und Forum Umwelt und Entwicklung, die 60 Jahre nach dem Abschluss des ersten Investitionsabkommens Bilanz ziehen.
Deutschland spielt dabei eine unrühmliche Vorreiterrolle. Das erste bilaterale Investitionsabkommen der Welt schloss Deutschland im November 1959 mit Pakistan ab, also vor genau 60 Jahren. Seitdem hat Deutschland 140 bilaterale Investitionsabkommen unterzeichnet. 90 davon erlauben es Konzernen vor privaten Schiedsgerichten zu klagen, wenn ihre (zukünftigen) Gewinne beispielsweise durch neue Klimaschutzmaßnahmen, Verbraucher*innenschutzmaßnahmen oder andere Regulierungen gefährdet werden. Deutschland ist das Land mit den meisten bilateralen Investitionsabkommen der Welt.
Deutsche Konzerne gehören weltweit zu den häufigsten Klägern auf Grundlage bilateraler Investitionsabkommen. 62 der weltweit bekannten 983 Konzernklagen stammen von deutschen Unternehmen. Klagefreudiger sind nur Investoren aus den USA, den Niederlanden und Großbritannien. Derzeit droht der deutsche Energieversorger UNIPER den Niederlanden mit einer mehrere hundert Millionen Euro schweren Klage sollte der niederländische Staat den geplanten Kohleausstieg beschließen. „Konzernklagen gegen Klimaschutzmaßnahmen nehmen rapide zu“, warnt Bettina Müller, Handelsreferentin bei PowerShift e.V.. Frankreich wurde 2017 mit einer Klage bedroht und nahm einen Gesetzentwurf zum Ausstieg aus der Förderung fossiler Energien zurück.
Das erste deutsche Investitionsabkommen wurde zur Vorlage für fast 3.000 weitere bilaterale Investitionsabkommen, die die Staaten seitdem abgeschlossen haben. „Investitionsabkommen sind tickende Zeitbomben“, sagt Bettina Müller. Pakistan wurde im Juli 2019 zu einer Schadensersatzzahlung von 5,8 Milliarden US-Dollar verklagt. Der Bergbaukonzern Tethyan Copper hatte Pakistan vor einem privaten Schiedsgericht verklagt. Die pakistanische Regierung hatte dem Konzern die Erlaubnis zur Förderung von Gold und Kupfer aberkannt. Zum Vergleich: Pakistan erhält jährlich Entwicklungshilfegelder in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar (letzter Stand: 2017). „Durch die Gefahr von milliardenschweren Entschädigungszahlungen überlegen die Staaten der Welt dreimal, ob sie Klima-, Umwelt- und Verbraucher*innenschutzmaßnahmen durchsetzen, die solche Konzernklagen zur Folge haben können“, sagt Bettina Müller. Knapp die Hälfte aller Konzernklagen geht von Konzernen aus dem Globalen Norden aus und richten sich gegen Staaten des Globalen Südens. Ihnen entstehen massive Kosten. Dabei ist bewiesen: Investitionsabkommen mit Konzernklagerechten haben keine höheren Investitionen zur Folge.
„Die Anzahl der Konzernklagen ist in den letzten Jahren explodiert. In den 1990er Jahren gab es Jahre mit gar keinen Klagen. Mittlerweile gibt es 60 bis 80 Klagen pro Jahr. Unternehmen missbrauchen Konzernklagen immer häufiger, um Staaten einzuschüchtern. Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Investitionsabkommen mit Konzernklagerechten zu kündigen“, sagt Bettina Müller.