CETA unter der Lupe: Bewertung und Blick nach vorn

Wir analysieren konkret Folgendes:
- Ergebnis Bundesverfassungsgericht
- Vom EU-Rat verabschiedete CETA-Dokumente · CETA-Vertrag und seine vorläufige Anwendung · Gemeinsame Auslegungserklärung · Erklärungen für das Ratsprotokoll
- Was passiert jetzt als nächstes, was ist der Zeitplan?
- Ergebnis Bundesverfassungsgericht
- Es ist nun definitiv sicher, dass Deutschland (und eigentlich auch jedes andere EU-Mitgliedsland) die vorläufige Anwendung beenden kann, indem es CETA bei der nationalen Ratifizierung nicht zustimmt. Damit wäre der ganze Vertrag obsolet.
- Zudem muss sicher gestellt werden, dass die Teile des Vertrags, die in gemischter Zuständigkeit liegen, nicht vorher in Kraft treten. Hier muss eventuell nochmal geprüft werden, für welche Vertragsteile außer für Konzernklagerechte das außerdem gilt.
- Zu guter Letzt wurde verfügt, dass in den Ausschüssen zu regulatorischer Kooperation VertreterInnen der Mitgliedsstaaten sitzen und Vorschläge der Ausschüsse einstimmig im Ministerrat gebilligt werden müssen. Welche Auswirkungen das tatsächlich haben werden, und ob und wie sie den Einfluss der geplanten Regulatorischen Kooperation begrenzen können, ist allerdings unklar.
- 2. Dokumente des Rates
- Das Papier ändert nichts an den rechtlichen Verpflichtungen, die die Vertragsparteien mit CETA eingehen
- Um CETA zu verändern, hätte man den CETA-Vertragstext ändern müssen, nicht den Text des Auslegungsinstruments, der rechtlich unverbindlicher ist
- Weiterhin werden beim Investitionsschutz ausländische Unternehmen bevorzugt
- gefährliche Klauseln wie „faire und gerechte Behandlung“ werden bekräftigt.
- Gleichzeitig gibt es nach wie vor keine obligatorischen Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen Arbeits- oder Umweltstandards durch Unternehmen.
- Auch der Schutz öffentlicher Dienstleistungen und der Daseinsvorsorge bleibt unpräzise. So sei es beispielsweise nicht verpflichtend Wasser kommerziell zu nutzen – es wird aber auch nicht ausgeschlossen, dass CETA es fördert und erleichtert dies doch zu tun, so wie CETA Artikel 1.9 festgelegt.
- „right to regulate“ wird hier zwar bestätigt, allerdings in Übereinstimmung mit den in CETA vereinbarten Verpflichtungen
- Beim Vorsorgeprinzip werden die Verpflichtungen im Rahmen internationaler Übereinkommen bekräftigt. Allerdings sind diese (zum Beispiel die WTO-Verträge) voller Schlupflöcher und bieten keinen ausreichenden Schutz.
- Dass überhaupt ein solches Dokument gebraucht wird zeigt, wie ungenügend der CETA-Vertragstext ist
- Leider ein erfolgreicher Schachzug der CETA-Befürworter, denn viele Kritiker nehmen nun fälschlicherweise an mit dem Auslegungsinstrument seien die Probleme im CETA-Text gelöst worden
- Auch der DGB hat festgestellt, dass das Auslegungsinstrument nicht ausreicht, um die grundlegenden Probleme CETAs zu lösen und zustimmungsfähig zu machen.
- Nr. 7: Das Vorsorgeprinzip: Die EU-Kommission bezieht sich auf das Vorsorgeprinzip in europäischen Verträgen. Dies stellt aber eine einseitige Erklärung dar und daher wenig wirkungsmächtig.
- Nr. 18: die Ratifizierung in den Mitgliedsstaaten wird voraussichtlich nicht beginnen können, bevor das Hauptverfahren vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht abgeschlossen ist.
- Nr. 20ff.: Die Vorläufige Anwendung kann durch einen Mitgliedsstaat beendet werden. CETA ist dann gescheitert. Aber: Offenbar muss der EU-Rat nach der Mitteilung durch den Mitgliedsstaat darüber entscheiden, und zwar auf Basis eines Kommissionsvorschlags. Es ist aber unklar, wie darüber abgestimmt werden muss (Einstimmigkeit oder einfache Mehrheit).
- Nr. 24: Österreich hält fest, dass eine inter-institutionelle Vereinbarung angestrebt wird, die eine Einbindung der Mitgliedstaaten in den so genannten „Joint Committees“ festlegt.
- Nr. 31: „Wesentliche Geschäftstätigkeiten“ werden hier definiert. Trotzdem werden kanadische Tochterunternehmen von US-Konzernen diese Auflagen erfüllen. Die US-amerikanische Verbraucherschutzorganisation Public Citizen hat berechnet, dass 41.811 US-Unternehmen über das CETA europäische Staaten mithilfe der Konzernklagerechte verklagen könnten.
- Nr. 32: Rat und Kommission zu Marktungleichgewichten im Agrarbereich. Hier sollen ggf. Schutzmaßnahmen greifen, die aber sowieso schon im EU und WTO-Recht und ist deshalb nicht Neues und kein Zugeständnis der EU-Kommission. Die Kommission lässt hier bewusst die WTO-Agrar-Schutzmaßnahmen unerwähnt. Diese sollen laut CETA-Vertrag nur für Kanada gelten, aber nicht für die EU! Das hat die Wallonie verstanden und deshalb unter 37 in das EU-Ratsprotokoll aufnehmen lassen, dass Belgien bei Importfluten eigene Schutzmaßnahmen treffen kann.
- Nr. 36: Konzernklagerechte und Investitionsgerichtshof:
- bevor nationale Parlamente ratifizieren, müssen die Auflagen des CETA an ICS erfüllt worden sein.
- Des Weiteren vor allem Klärungen bzgl. der Rolle der Richter und ethische Auflagen für diese. Neu ist, dass die Mitgliedsstaaten die Richter bestimmen sollen. Viel bleibt allerdings nach wie vor vage.
- Nr. 37: Der belgische Kompromiss ‒ die wichtigsten Punkte:
- Belgien wird den EUGH um ein Gutachten ersuchen, ob ICS vereinbar ist mit den europäischen Verträgen. Dies ist als Erfolg zu werten.
- Wenn Belgien (bzw. eines der Regionalparlamente) im nationalen Ratifizierungsprozess CETA ablehnt, wird dies der EU innerhalb eines Jahres mitgeteilt und die vorläufige Anwendung wird gestoppt. Der zweite Halbsatz ist wichtig, denn die Mitgliedsstaaten sind nicht verpflichtet dies an die EU zu melden, und dann würde die Vorläufige Anwendung weiter laufen.
- Und sonst: Des Weiteren gibt es sowohl in den belgischen Erklärungen, als auch in denen der anderen Mitgliedsstaaten und der Kommission Verweise auf den Schutz von geografischen Herkunftsangaben (Nr. 6), der ArbeitnehmerInnen (Nr. 17), Wasser als öffentliches Gut (z. B. Nr. 8, 23), Öffentlicher Auftragsvergabe (Nr. 27) und Öffentlichen Dienstleistungen (Nr. 29), sowie dem Schutz vor GMOs (z.B. 23, 25, 30) und Hormonfleisch (Nr. 26). Diese Erklärungen sind aber voller Schlupflöcher und können durch den CETA-Vertragstext, der teilweise anderes besagt, ausgehebelt werden.
- Ob die mit dem CETA-Vertrag verabschiedeten Dokumente rechtlich verbindlich sind, hängt von der Intention der Autoren ab. Ein Mitgliedsstaat übernimmt eine Verpflichtung für sich selbst, die aber nicht für die EU oder einen anderen Mitgliedsstaat gilt
- Gemeinsames Auslegungsinstrument: Auch hier hängt eine Bindung von der Intention der Vertragsparteien ab. Es hat die Kompetenz das CETA-Abkommen auszulegen
- Erklärungen zum Ratsprotokoll: Hier muss von Fall zu Fall bewertet werden, je nach genauer Definition der einzelnen Punkte durch die Mitgliedstaaten
- Beendigung der Vorläufigen Anwendung:
- Ein Mitgliedsstaat muss die EU darüber informieren, dass sie CETA nicht ratifiziert, dann muss die EU die Vorläufige Anwendung beenden
- Artikel 218(5) TFEU: Keine genau definierte Prozedur wie Vorläufige Anwendung beendet wird. Offenbar muss der EU-Rat nach der Mitteilung durch den Mitgliedsstaat darüber entscheiden, und zwar auf Basis eines Kommissionsvorschlags. Es ist aber unklar, wie darüber abgestimmt werden muss (Einstimmigkeit oder einfache Mehrheit).
- Was passiert als nächstes, wie ist der Zeitplan?
- Am 23. November wurde eine Resolution im EP abgelehnt beim EUGH ein Gutachten bezüglich der Vereinbarkeit des Investitionsgerichtshofs mit den europäischen Verträgen einzuholen (ähnlich dem belgischen Beschluss).
- Am 29. November fand ein Mittagessen mit INTA-VertreterInnen und VertreterInnen der Mitgliedsstaaten statt, bei dem man zu CETA beraten wird. Es stellt sich allerdings die Frage inwiefern ein solcher fachlicher Austausch zwischen Hauptgericht und Nachtisch möglich ist. An diesem Treffen haben lediglich neun Vertreter der Mitgliedsstaaten teilgenommen. Für Deutschland war MdB Klaus Barthel (SPD) vor Ort.
- Am 23./24. Januar wird CETA im INTA beraten und eine Empfehlung an das EU-Parlament erarbeitet.
- Bis dahin müssen/können andere Ausschüsse ihre Empfehlung zur Abstimmung an den INTA geben. Bisher beabsichtigen ENVI (Umwelt), EMPL (Arbeit und Soziales) und AFET (Auswärtige Angelegenheiten) dies zu tun
- AFET hat die Empfehlung gegeben CETA zu zustimmen
- EMPL hat die Empfehlung gegeben CETA abzulehnen
- ENVI-Abstimmung ist am 12.01.17
- Am
1. oder 2. 15. Februar soll CETA dann im Europäischen Parlament ratifiziert werden. - Derzeit ist geplant, dass die Vorläufige Anwendung, die vom Rat beschlossen wurde, nach der Ratifizierung im EP im März in Kraft tritt.