Bericht von der Internationalen Rohstoffkonferenz der Bundesregierung 2015

Internationale Rohstoffkonferenz der Bundesregierung 2015
[caption id="attachment_6110" align="alignright" width="225"] Hört hinter dem Schaufelradbagger die Verantwortung auf? Nein, erkennt auch die Bundesregierung mit Blick auf Lieferkette an. (Michael Reckordt)[/caption]
Unter dem Titel „Verantwortung übernehmen – Nachhaltigkeit in der Rohstoffwirtschaft fördern“ fand die erste Internationale Rohstoffkonferenz der Bundesregierung vom 10. bis 11. November 2015 in Berlin statt. Bisher war die Bundesregierung eher damit aufgefallen, sehr einseitig – u.a. mit der Veröffentlichung der Rohstoffstrategie der Bundesregierung im Jahr 2010 – die Industrieinteressen nach einer sicheren Versorgung zu bedienen. Rohstoffpartnerschaften, Investitionsgarantien, Exportförderung, Unterstützung von WTO-Klagen gegen China, die Bundesregierung hat verschiedene Wege und Instrumente gefunden, den Rohstofffluss nach Deutschland zu fördern und nicht versiegen zu lassen. Gleichzeitig wurden lange Zeit die verbindliche Einführung und Ausweitung von sozialen und ökologischen Standards beim Abbau, Handel, Finanzierung, Nutzung innerhalb der Lieferkette oder bei der Reduktion des Rohstoffverbrauchs ignoriert. Dies scheint sich, wie der Titel der Konferenz versprach, langsam aufzuweichen und zu verändern. Sicherlich ein Erfolg der Öffentlichkeit, Zivilgesellschaft, Medien und Politik, die durch stetige Begleitung der Rohstoffstrategie und Aufzeigen der negativen Auswirkungen unseres Rohstoffkonsums auch andere Dimensionen in der Rohstoffdiskussion aufzeigen.
Die Verhältnismäßigkeit von Verbindlichkeit
Den Spagat zwischen dem alten Fokus der Versorgungssicherheit und einem veränderten Bewusstsein, dass ein Weiter-So nicht möglich ist, zeigt schon der inflationär verwandte Begriff der „Nachhaltigkeit“ auf der Konferenz. Nachhaltigkeit, also der Dreiklang aus Ökologie, Sozialem und Ökonomie, wurde schon bei der Eröffnung der Veranstaltung durch Staatssekretär Matthias Machnig betont. Auf der einen Seite der Verweis auf die heimischen Rohstoffe und die Notwendigkeit für Wohlstand und technologische Wettbewerbsfähigkeit weiterhin einen freien Zugang zu den globalen Rohstoffmärkten zu besitzen, auf der anderen Seite aber auch die Bedeutung eines nachhaltigen Rohstoffbezugs in der sozialen Marktwirtschaft. Für letzteres brauche es, laut Machnig, eine internationale Rohstoffpolitik, um Standards zu setzen. Bis dies so weit sei, müsse man die Selbstverpflichtung von Unternehmen zu mehr Corporate Social Responsibility (CSR) unterstützen. Die Kund/innen würden dies ohnehin nachfragen, nicht nur bei Lebensmitteln. Doch sich so ganz alleine auf CSR zu stützen, das zeigen viele Beispiele von Verfehlungen im Rohstoffsektor, kann die Politik nicht mehr. Staatssekretär Machnig betonte daher, dass die Verantwortung entlang der gesamten Lieferkette zu verankern sei und sich die Bundesregierung daher zum Beispiel bei der Konfliktmineralien-Regulierung auf europäischer Ebene für eine verbindliche Regelung einsetze, wenn diese verhältnismäßig sei und keine unnötigen bürokratischen Hürden aufbauen würde. Wie diese Verhältnismäßigkeit im Kontext von Bürgerkriegen und deren Finanzierung durch Rohstoffe zu definieren sei und wie weit man einen gewissen bürokratischen Aufwand von Unternehmen, die diese Rohstoffe nutzen, erwarten kann, blieb er allerdings schuldig. Nichtsdestotrotz ist dies schon eine veränderte Haltung im Vergleich zu der Vergangenheit, in derjegliche verpflichtende Regulierung abgelehnt wurde. Politiker/innen der CDU und SPD unterstützen mittlerweile diese Formulierung der Verbindlichkeit, wo sie verhältnismäßig ist. Machnig nannte als gutes Beispiel der Freiwilligkeit die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI). Die deutsche Bundesregierung hat einen Tag vor der Konferenz ihre Kandidatur zu der Initiative eingereicht. Gerade EITI wird mittlerweile flankiert von umfangreichen, verbindlichen Berichtspflichten durch die Gesetzgeber in den USA und den EU-Mitgliedsstaaten. Auch hier findet sich ein Zusammenspiel aus Freiwilligkeit und Regulierung, das vielleicht in Zukunft als Standard dienen kann.Maritime Ressourcen als nachwachsende Metallquellen?
Neben dem Wirtschaftsministerium war die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Ausrichter der Konferenz. Der BGR-Präsident Kümpel berichtete im Anschluss über die globale Rohstoffsituation und gab anschließend einige Ausblicke auf die durchaus umstrittene Technologie des maritimen Tiefseebergbaus. Kümpel sah weniger die Umweltgefahren und somit die Risiken entlang der Nahrungskette, die sich auch für die Menschen ergeben könnten, wenn ein nahezu unerforschter Bereich der Unterwasserwelt durch einen nur schwer zu regulierenden Abbau unter Umständen für immer zerstört wird, sondern betonte viel mehr die Erweiterung der Rohstoffbasis, die Langzeitperspektive der Versorgungssicherheit und dass der Landschaft nicht passiere. „Schwarze Raucher kann man zu einem gewissen Teil als nachwachsend bezeichnen“, da durch den Tiefsee-Vulkanismus immer wieder neue Metalle produziert würden. Seine Anmerkung, dass in der Landschaft nichts passiere, dürfte allerdings eher als flapsige Wertung verstanden werden und nicht auf wissenschaftlicher Forschung gefußt sein, da die Auswirkungen mangels Forschungsgelder bisher nahezu unerforscht sind.WTO, kein Debattierklub
Karl-Ernst Brauner – stellvertretender Generaldirektor der WTO – sprach im Folgenden über die handelspolitischen Aspekte von Rohstoffen und Metallen. „Die WTO ist kein bloßer Debattierklub“, stellte er gleich zu Beginn klar. Während die internationalen Regierungen bei ökologischen und sozialen Standards zu meist auf Freiwilligkeit setzen, gibt es im Rahmen der WTO sehr harte Instrumente, um ökonomische Interessen durchzusetzen. Einem Gleichklang von Ökologie, Sozialem und Wirtschaft entsprechend, müsste man die WTO als definitiv nicht nachhaltig einstufen. Dies musste in aller Härte bisher vor allem China erfahren. Diese hatten Exportzölle und Exportbeschränkungen auf verschiedene Rohstoffe, unter anderem Seltene Erden, eingeführt und waren daraufhin von USA, Japan (bzw. Mexiko) und Europa verklagt worden. Zwar gestand Brauner Ländern zu, diese Art von Politik sei „per se kein ungewöhnliches Ansinnen“, doch China habe bei dem Beitritt im Vergleich zu den Gründungsmitgliedern striktere Regeln akzeptiert bzw. akzeptieren müssen. Daher ist es China nicht erlaubt – anders als z.B. den europäischen Mitgliedsstaaten – Exportzölle zu erheben. Auch andere Staaten, die nach 1995 der WTO beigetreten sind, unterstehen strengeren Regularien. Während China häufig im Rohstoffkontext eine Politik vorgeworfen wird, mit geringeren sozialen und ökologischen Standards zu arbeiten, verhindern WTO-Regeln die Einführung höherer Standards in China. Eine politische Doppelmoral, die Karl-Ernst Brauner durch die „freiwillig“ eingegangene Selbstverpflichtung in Ordnung fand. Es folgten weitere Beiträge von Glenn Gemerts (Intergovernmental Forum on Mining, Minerals, Metals and Sustainable Development) und Joanne Lebert (Partnership Africa Canada) über internationale Entwicklungen und Lösungsmöglichkeiten. Vor allem die Betonung, dass Transparenz – auch entlang der Lieferketten – ein zentraler Punkt sei, um den internationalen Bergbau nachhaltiger zu gestalten, wurde mehrfach deutlich. Ebenso wurden von fast allen Sprecher/innen einheitliche globale Standards herbei gesehnt. Strittig war allerdings, wie weitgehend diese Standards sein müssen und ob man nicht über Einzelinitiativen wie den Dodd Frank Act, verbindliche Transparenzregeln, etc. diese Standardsetzung nicht auch durch einzelne Staaten(-bündnisse) vorantreiben kann. Bei der anschließenden Panel-Diskussion wurde unter Chatham House Rules über Herausforderung und Lösungsansätzen für eine verantwortungsvolle und nachhaltige Rohstoffwirtschaft diskutiert. Schon eine der ersten Ankündigungen von einem Vertreter der EU war allerdings wenig im Sinne von Verantwortung und Nachhaltigkeit. Er drohte, dass Indonesien das nächste Land sei, das man vor der WTO verklagen würde, weil es – im Sinne einer nachhaltigen Industriepolitik die Wertschöpfungskette im Land verlängern und somit eine soziale Verantwortung für die eigenen Bewohner/innen übernehmen wolle – Exportzölle und –beschränkungen eingeführt hat. Ebenfalls konträr zum nicht-ökonomischen Teil der Nachhaltigkeit stand auch die Hoffnung einer Vertreterin eines Industrieverbandes, dass in Peru momentan nur 15 Prozent der Ressourcen abgebaut würden und sie hier großes Potential sehe. Von den Konflikten sprach sie weniger. Zwar räumte sie ein, dass es große Diskussionen in Chile und Peru um Wasserknappheit gäbe, vieles ließe sich aber mit einer klareren Kommunikation um das Wassermanagement aus der Welt räumen. Dass der Konflikt zwischen Landwirtschaft oder Rohstoffabbau viel tiefer gesellschaftlich begründet liegt, ließ sie aus. Auch die ideologische Position der Industrie, die sich gegen jegliche verbindliche Regeln stemmen, wurde an verschiedenen Stellen geäußert. Dabei zeigen gerade – trotz Schwächen – dass die Verbindlichkeit des Dodd Frank Acts oder auch die Verbindlichkeit der EU-Transparenz-Regeln erst Diskussionsräume eröffnet und ein Bewusstsein in Industrie, Politik und Zivilgesellschaft ermöglicht haben.Was alles fehlte
Wie bei so einem vollen Programm nicht sonderlich überraschend, kamen viele Diskussionen an beiden Tagen der Internationalen Rohstoffkonferenz leider viel zu kurz. Vollkommen fehlend waren die Stimmen aus dem Globalen Süden, die direkt von dem Abbau betroffen sind. Zwar deutete ein Vertreter einer Umweltorganisation an, dass wir auch No-Go-Zones definieren müssten, in denen Bergbau nicht erlaubt und betrieben werden dürfe, doch ansonsten spielte dieser Themenstrang keinerlei Rolle. Auch die menschenrechtlichen und ökologischen Auswirkungen – wenige Tage nach der Umweltkatastrophe in Brasilien, bei dem mindestens neun Menschen starben und weitere knapp 20 Personen vermisst werden – rückten weniger ins Zentrum. Die Konferenz wurde am 20. Todestag von Ken Saro-Wiwa begonnen und erst kürzlich hatten britische Organisationen über die systematische Ermordung von Umweltschützer/innen berichtet. Auch diese Komponente der gravierenden Menschenrechtsverletzungen bekam kaum Aufmerksamkeit, obwohl immer wieder Konzerne, wie die Kohleverstromer oder BASF, in ihrer Lieferkette unmittelbar mit diesen Verletzungen in den Kontext gebracht wurden. Dass wir ein generelles Umdenken bräuchten, sprach nur ein Vertreter einer Industrie-Initiative aus, der dahingehend sehr viel Hoffnung in die Digitalisierung und einen damit verbundenen Rückgang des Rohstoffkonsums legte. [caption id="attachment_5966" align="alignright" width="300"]